Ludwigshafener Rundschau 21. September 2023 – Land
Polder: Neuer Anlauf des Landes
Von Markus Müller
Altrip. Der vom Land Rheinland-Pfalz angestrebte Polder soll helfen, die Städte Ludwigshafen und Mannheim vor einer sogenannten Jahrhundertflut zu schützen. Dazu würden bei einer solchen bis zu neun Millionen Kubikmeter Wasser vorübergehend aus dem Rhein in die geplante Hochwasser-Rückhaltefläche geleitet. Was von der Überlegung her gut klingen mag, bereitet den Altripern seit jeher große Sorgen: Denn durch das Fluten des Polders würde die Kommune komplett vom Wasser umschlossen – ähnlich einem Deichbruch.
Mit dem einzigen Unterschied, dass der Ort selbst und die beiden Kreisstraßen nach Waldsee und Ludwigshafen nicht überschwemmt würden. Theoretisch jedenfalls. Im Ernstfall hinge das Überleben der rund 8000 Altriper davon ab, dass die Planer bei der SGD Süd in Neustadt alles absolut perfekt vorbereitet, alle Eventualitäten bestmöglich bedacht und penibel durchgeprüft haben. Und just bei der entsprechenden Planung – inzwischen sind es zwei Verfahren – sehen die Altriper gravierende Mängel, vor allem in der zugrundeliegenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Seit 2006 haben sich die Gemeinde und mehrere Privatkläger durch alle Instanzen geklagt – bis zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, der ihnen 2015 Recht gab. In der Folge kassierte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Koblenz ein, das die Klagen aus Altrip abgewiesen hatte.
Enthält die UVP Fehler
Nun müssen die Koblenzer Richter feststellen, ob die UVP wirklich Fehler enthält, ob der geplante Polder mit dem Natur- und Umweltschutz vereinbar ist und ob Altrip sowie die beiden einzigen Flucht-/Evakuierungsrouten bei Hochwasser ausreichend sicher sind. Diese Aufgaben hat das OVG acht Jahre später noch nicht erfüllt. Derweil versucht die SGD seit 2018, mit einem ergänzenden Planfeststellungsverfahren nachzubessern und so den Polder auf ein rechtssicheres Fundament zu bekommen. Allerdings haben auch die angepassten Pläne die Bedenken der Altriper nicht ausräumen können. Sie haben 336 Einwendungen dagegen geltend gemacht, die ursprünglich 2019 bei einem Erörterungstermin vor Ort hätten besprochen werden sollen. Vier Jahre und eine Pandemie später warten die Altriper hierauf ebenfalls noch. Oder wie es Altrips heutiger Ortsbürgermeister Volker Mansky (parteilos) ausdrückt: „Das sollte ja schon bei meinem Vorgänger Jürgen Jacob stattfinden.“
Frist: 16.Oktober
Von 7. August bis 15. September hat die SGD Süd jetzt ihre erneut überarbeiteten Pläne offengelegt. In dieser Zeit haben sich die Altriper Bürger, aber auch ihre ebenfalls von dem Projekt betroffenen Nachbarn in Waldsee und Neuhofen sowie vielleicht interessierte Otterstadter die Unterlagen in den Räumen der Verbandsgemeinde Rheinauen ansehen können. Bis spätestens 16. Oktober haben sie und die Kommune nun Gelegenheit, wiederum Einwendungen geltend zu machen. Es sei denn, der jüngste Entwurf hat sie überzeugt. Doch danach sieht es nicht aus. „Wir werden fast alle unsere Einwendungen beibehalten“, erklärt Mansky auf RHEINPFALZ-Nachfrage. Eventuell kämen sogar noch neue dazu. „Das prüft unsere Rechtsanwaltskanzlei momentan.“ Der Haupt- und Finanzausschuss habe in dieser Sache bereits intern in einer nichtöffentlichen Sitzung mit Detlef Schneider, Büroleiter der Verbandsgemeindeverwaltung, und Vertretern der Anwaltskanzlei „verfahrenstaktische Dinge“ besprochen.
BIHN bleibt bei ihrem Nein
Auch die Bürgerinitiative für Hochwasser- und Naturschutz Rheinauen (BIHN) lehnt die Pläne des Landes weiter ab. „Ja, wir brauchen Hochwasserschutz – aber nicht so“, sagt der Vorsitzende Dieter Neugebauer. „Denn der Betrieb des Polders würde Altrip kesselartig einschließen. Wasser auf allen Seiten, zum Teil vier Meter über Ortsniveau. Dazu kommt die Zerstörung wertvoller Naturräume“, erläutert er. Darüber hinaus betont Neugebauer, dass die Betroffenen keineswegs dem Sankt-Florians-Prinzip folgen – „Polder ja, aber nicht bei uns“ –, sondern die Einwendungen gegen das Projekt berechtigt seien. Das habe sich in den diversen Gerichtsverhandlungen gezeigt. 35 Jahre, nachdem Altrip als Ersatzstandort für einen Polder bei Hördt vorgeschlagen wurde, nach zwei Nachbesserungen und vielen Ausnahmegenehmigungen sowie mit Ausgleichsmaßnahmen lediglich im Pfälzerwald glaube die SGD nun dennoch, das Projekt sei genehmigungsfähig. Deswegen wolle die BIHN nicht zuletzt jüngeren Mitmenschen verdeutlichen, was da auf sie zukomme, sagt Neugebauer. So würden neben dem Polder an sich die Belastungen während der ungefähr zehnjährigen Großbaustelle Altrip massiv verändern. „Ganz zu schweigen davon, dass wir in all den Jahren mit dem permanenten Risiko leben, dass die Deiche in unserer Region niedriger sind als stromauf und stromab. Erschwerend kommt hinzu, dass die Fluchtwegeproblematik im Überflutungsfall nicht gelöst ist“, warnt der Vorsitzende. Die BIHN sei zudem nach wie vor davon überzeugt, dass bei Altrip nicht der richtige Standort für eine Hochwasserrückhaltung ist. „Wir appellieren deshalb an die Verwaltung und betroffene Bürger, nach Begutachtung der ausgelegten Unterlagen, ihre Einwendungen wie in der Vergangenheit auch schriftlich einzureichen.“ Daneben fordert Neugebauer, der auch für die Grünen im Altriper Ortsgemeinderat sitzt, dass das Thema – nach den legitimen nichtöffentlichen Vorberatungen – öffentlich diskutiert wird, bevor das Dorfparlament Beschlüsse fasst. „Wir appellieren daher auch an die Mandatsträger, die sich vor der Wahl klar gegen den Polder positioniert haben, diese Position nicht aufzugeben“, betont der BIHN-Vorsitzende.